Ein Artikel von Renate Nowack, Julia Rappich und Eva Weißensteiner aus dem Bergauf Magazin im Herbst 2017
Heft zum Blättern: #4/2017
Obwohl in den Bergen mittlerweile eine ausgewogene Geschlechterverteilung herrscht, sind Frauen in der Vereinsarbeit noch unterrepräsentiert.
Als Anfang des 19. Jahrhunderts der alpine Tourismus begann, setzte sich
die Gruppe der Bergsteiger ausschließlich aus jungen aristokratischen
Männern zusammen, die vor allem aus Großbritannien kamen, später auch
aus anderen Teilen Europas. Die wenigen Frauen, die sich damals in die
Berge wagten, waren heftiger Kritik ausgesetzt, da die Rolle der Frau im
häuslichen Bereich und in der Kinderaufzucht gesehen wurde.
Eine weitere Schwierigkeit war die Kleidung: Bodenlange Röcke und Korsett, da Hosen für eine Frau lange als unschicklich galten. Wenn man bedenkt, dass Frauen damit geklettert sind, sind ihre Leistungen wohl noch höher einzustufen. Eine von ihnen war Lucy Walker, die Mitte des 19. Jahrhunderts als erste Frau auf dem Matterhorn stand – mit bodenlangem Flanellrock!
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Europa alpine
Vereine gegründet. Der erste war 1857 der britische Alpine Club, zu dem
Frauen nicht zugelassen wurden. Erst 50 Jahre später gründeten diese den
Ladies Alpine Club. Auch der Schweizer Alpen Club war ein reiner
Männerverein und ebenso kam es hier mit großer zeitlicher Verzögerung
zur Gründung des Schweizer Frauenalpenclubs. Weitere reine Frauenvereine
entstanden in Schottland, Wales und Italien.
Der österreich-deutsche Alpenverein (1862 fand die Gründungsversammlung des ÖAV in Wien statt) nahm zwar Frauen als Mitglieder auf (ebenso wie die Naturfreunde), allerdings war der Frauenanteil lange Zeit verschwindend klein.
Die alpinen Frauenvereine, anfangs aus der Not entstanden, bildeten somit eine gute Möglichkeit für Frauen, ohne Männer zu klettern, in reinen Frauenseilschaften. Diese mutigen, selbstbewussten, emanzipierten Bergsteigerinnen haben durch ihr Vorbild andere Frauen für das Klettern und die damit verbundene Selbstbestimmtheit und Freiheit begeistert. Der Grundstein für Frauen am Berg war gelegt. (Quelle: Ingrid Runggaldier, Frauen im Aufstieg, Auf Spurensuche in der Alpingeschichte, Edition Raetia, Bozen 2011)
Inzwischen hat sich einiges geändert, Spitzenbergsteigerinnen wie
Gerlinde Kaltenbrunner, Edurne Pasabán oder Nives Meroi sind durch ihre
alpinistischen Leistungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Und
aufgrund der Entwicklung des Bergsteigens zu einem Massensport sind
mittlerweile etwa die Hälfte der Mitglieder alpiner Vereine in
Österreich weiblich. Frauen am Berg gelten als Selbstverständlichkeit.
Doch betrachtet man die Geschlechterverteilung in alpinen Vereinen, zeigt sich immer noch ein anderes Bild: Im Bundesausschuss des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) sind nur fünf von 26 Personen Frauen und im Präsidium beträgt das Verhältnis 5:2. Auch die Leitung der 196 Sektionen ist stark männlich dominiert.
Darüber hinaus führen Frauen Gruppen in risikoreicheren Bereichen viel seltener als Männer, obwohl es an Kompetenzen oft nicht mangelt. In der zweitgrößten Sektion des ÖAV, dem Alpenverein Edelweiss, zeigt sich dies bei der Geschlechterverteilung der Guides:
Im Alpenverein Edelweiss ist eine Entwicklung im Gange: Aus drei – vom Vorstand Bernhard Stummer ins Leben gerufenen – Workshops mit dem Titel "Denkraum – Frauen in der Edelweiss", die vom Alpenverein Coaching-Team begleitet wurden, ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema möglich geworden und zeigt nachhaltige Wirkung.
Die Gespräche bei den Workshops haben beispielsweise deutlich gemacht, dass es für Frauen eine große Hürde gibt, an manchen Weiterbildungen teilzunehmen (z. B. Übungsleiter Hochtouren oder Skihochtouren), weil dort vorwiegend Männer sind und die Angst im Nacken sitzt, ob körperlich mitgehalten werden kann. Auch gibt es diesbezüglich wenige vereinsinterne Identifikationsfiguren, an denen Orientierung stattfinden kann.
Vor allem aber sind im Rahmen der Workshops viele Fragen aufgetaucht: Wie hat sich der Umgang der Geschlechter miteinander in den rund 150 Jahren seit der Vereinsgründung entwickelt? Gibt es Begegnung auf gleicher Augenhöhe? Einen respektvollen Umgang? Werden Frauen in ihrer bergsteigerischen Kompetenz wahrgenommen? Woran liegt es, dass der ÖAV noch immer ein männerdominierter Verein ist und sowohl auf der Funktionärsebene als auch unter den Guides deutlich weniger Frauen zu finden sind?
Haben wir Antworten auf all diese Fragen? Nein. Aber wir wollen hinschauen, versuchen zu verändern und der Gleichstellung der Geschlechter in den alpinen Vereinen einen Schritt näher kommen!
Hier setzt die aus der Beschäftigung mit der Thematik hervorgegangene
Frauengruppe "Frauenseilschaft" an: Ziel der Gruppe ist es, eine
Plattform zu bieten, in der Frauen sich gegenseitig stärken und sich
gemeinsam fachlich und persönlich entwickeln können.
Die neu gegründete
Frauengruppe versteht sich nicht als abgeschlossenes System wie die
Frauenvereine der Vergangenheit, sondern will offen bleiben und
gemeinsam Veränderung bewirken. Es sollen frauenspezifische Angebote und
Veranstaltungen im Alpenverein Edelweiss ins Leben gerufen werden und
damit die Sichtbarkeit der Frauen mit all ihren Kompetenzen und
Erfahrungen, nicht nur am Berg, sondern auch im Verein erhöht und
sichtbar gemacht werden.
Wir freuen uns über Anregungen und Ideen von allen Interessierten, um Veränderung zu bewirken und alle Frauen im Österreichischen Alpenverein sind herzlich willkommen, sich mit uns zu vernetzen!
Historische Bilder aus dem Alpenverein-Museum und Aktuelles von der "Frauenseilschaft"